Die Freie Kritische Alternative

(vormals Grüne Masseur*innen)

Lesedauer:  10 Minuten

Massagen erweisen sich als wirksam in der Primärversorgung von Patient*innen mit chronischen Schmerzen im unteren Rücken

Nachdem Massagen in klinischen Studien ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von chronischen Schmerzen im unteren Rücken (Kreuzschmerzen) nachweisen konnten, rückte die Forderung nach Studien in den Fokus, die reale Praxissituationen abbilden. Diese sollten sowohl die Grundversorgung einbeziehen – etwa durch Empfehlungen von Hausärzt*innen – als auch die tatsächliche Anwendung durch erfahrene Massage-Therapeut*innen, die ihr gesamtes Methodenrepertoire nutzen.

In diesem Zusammenhang untersuchte die Studie von Elder et al. (20171William G. Elder, Niki Munk, Margaret M. Love, Geza G. Bruckner, Kathryn E. Stewart, Kevin Pearce, Real-World Massage Therapy Produces Meaningful Effectiveness Signal for Primary Care Patients with Chronic Low Back Pain: Results of a Repeated Measures Cohort Study, Pain Medicine, Volume 18, Issue 7, July 2017, Pages 1394 - 1405, https://doi.org/10.1093/pm/pnw347.) die Effektivität von Massagen in „realen Welt“-Bedingungen. Die Ergebnisse zeigen, dass etwa 50 Prozent der Patient*innen eine klinisch relevante Verbesserung ihrer Beschwerden erfuhren.

Hintergrund

Schmerzen im unteren Rückenbereich gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen und sind in den USA eine der Hauptursachen für durch Behinderung verlorene Lebensjahre. Während sich die Beschwerden bei den meisten Betroffenen rasch bessern, leidet etwa ein Drittel an anhaltenden Rückenschmerzen und rund 15 % entwickeln chronische Schmerzen im unteren Rückenbereich, die oft mit erheblichen körperlichen Einschränkungen verbunden sind.

Randomisierte kontrollierte Studien, Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten belegen die Wirksamkeit klinischer Massagetherapien2Als klinische Massagetherapie definieren die Autor*innen Massagen, die von ausgebildeten Massagetherapeut*innen in einem professionellen und therapeutischen Umfeld durchgeführt werden, um Gesundheit und Funktionsfähigkeit zu optimieren. bei solchen Beschwerden. Allerdings weist eine 2015 von Furlan et al.3Furlan AD, Giraldo M, Baskwill A, Irvin E, Imamura M. (2015): Massage for low-back pain. Cochrane Database Syst Rev 2015. https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD001929.pub3/full. durchgeführte Metaanalyse auf methodische Schwächen in der Massageforschung hin. Zudem äußerten die Autor*innen von Behandlungsrichtlinien für chronische Kreuzschmerzen Bedenken: Die Wirksamkeit von Massagen in der Primärversorgung wurde bislang nicht ausreichend untersucht. Auch bleibt unklar, inwieweit Massagen, die in realen klinischen Umgebungen angewendet werden, mit den bisher in kontrollierten Studien getesteten Ansätzen übereinstimmen.

Konzeption und Design der Studie

Die Untersuchung wurde als Pilot- und Machbarkeitsstudie durchgeführt, um erste Erkenntnisse über die praktische Anwendbarkeit und potenziellen Nutzen von Massagen bei Patient*innen mit chronischen unteren Rückenschmerzen zu gewinnen, die auf Empfehlung ihrer Hausärzt*innen teilnehmen. Ziel war es, die Ergebnisse deskriptiv mit etablierten klinisch bedeutsamen Schwellenwerten zu vergleichen und so die Relevanz von Massagen in einer realen Versorgungssituation zu bewerten. Eine Kontrollgruppe wurde in diesem Design nicht berücksichtigt.

Alle Teilnehmenden erhielten insgesamt zehn kostenlose Massagesitzungen, die von erfahrenen, lizenzierten Massagetherapeut*innen mit mindestens fünf Jahren Berufspraxis durchgeführt wurden. Es wurde erwartet, dass die Behandlungen positiv aufgenommen würden und einen gesundheitlichen Nutzen mit sich bringen könnten.

Im Mittelpunkt der Studie stand die Bewertung der Auswirkungen von Massagen auf Schmerzen, Behinderungen und die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Patient*innen. Die verwendeten Messinstrumente waren der Oswestry Disability Index (ODI)4Der Oswestry Disability Index (ODI), auch Oswestry Low Back Pain Disability Questionnaire, dient der Bewertung des Ausmaßes von Funktionseinschränkungen, die durch Kreuzschmerzen verursacht werden. Mithilfe dieses Fragebogens lässt sich die allgemeine Funktionsfähigkeit einer Person im Alltag beurteilen, um die Auswirkungen der Schmerzen auf tägliche Aktivitäten wie Gehen, Sitzen, Arbeiten oder Schlafen besser zu verstehen. Der ODI ist ein wichtiges Instrument, um den Schweregrad von Einschränkungen zu dokumentieren und den Verlauf oder die Effektivität von Behandlungen zu beurteilen. und der Medical Outcomes Study 36-Item Short Form, Version 2 (SF-36v2).5Der SF-36 ist ein umfassendes, strukturiertes Instrument zur Messung der Lebensqualität, das auf Selbstauskünften der Patient*innen basiert. Es umfasst acht Dimensionen, darunter körperliche Funktionen, allgemeiner Gesundheitszustand und psychisches Wohlbefinden. Aufgrund seiner einfachen Anwendung und hohen Akzeptanz findet der SF-36 in vielen Bereichen der Gesundheitsforschung und klinischen Praxis breite Anwendung. Der ODI erfasst schmerzbedingte funktionale Einschränkungen, der SF-36v2 misst ergänzend dazu die Lebensqualität. Daten wurden zu Beginn der Studie sowie nach 12 und 24 Wochen erhoben6Die erste Nachuntersuchung erfolgte damit direkt nach der Behandlungsserie, die zweite Nachuntersuchung 12 Wochen nach dem Ende der Behandlungen. Nach Abschluss jeder Datenerhebung erhielten die Teilnehmer*innen einen Geschenkgutschein im Wert von 25 $.. Zusätzlich analysierte die Studie, inwiefern klinisch signifikante Verbesserungen erzielt wurden und welche Patientenmerkmale potenziell prädiktiv für positive Behandlungsergebnisse sein könnten.

Studienteilnehmer*innen

Patient*innen mit chronischen lumbalen Rückenschmerzen7Schmerzen im Lenden- oder Kreuzbeinbereich, die drei Monate oder länger anhalten. mussten vom Hausarzt überwiesen werden und nachfolgende Einschlusskriterien erfüllen:

  • chronische Kreuzschmerzen
  • Patient*in seit mindestens 3 Monaten in überweisender Praxis
  • Besuch bei einem teilnehmenden Erstversorger während des Überweisungszeitraums der Studie (Besuch aus beliebigem Grund)
  • mindestens 21 Jahre alt und mindestens noch mehr als 6 Monate Lebenserwartung

Ausschlusskriterien waren:

  • schwanger zum Zeitpunkt der Überweisung
  • aktuelle oder frühere psychotische Episode
  • Vorliegen einer nicht konsolidierten Fraktur8Knochenbruch, der nicht wie erwartet verheilt ist., einer tiefen Venenthrombose oder einer fortgeschrittenen Osteoporose
  • Massage in den letzten sechs Monaten aus beliebigem Grund (Spa-Besuche und/oder gelegentliche Massagen waren akzeptabel)
  • Kontraindikationen für Massage, wie Hautwunden oder -infektionen, Ekzeme, aktiver Krebstumor, fortgeschrittene Nierenerkrankung

Überweisende Hausärzt*innen

Praxisstandorte wurden per Zufallsprinzip ausgewählt und Hausärzt*innen aus 18 Praxen (14 davon Gemeinschaftspraxen) wurden über die Studie aufgeklärt und eingeladen, "passende" Patient*innen für die Studie zu überweisen. Zu den Praxisstandorten gehörten vier ländliche Standorte (alles Gemeinschaftspraxen) und eine große akademische medizinische Einrichtung. Das Studienteam besuchte jede Praxis, um die Hausärzt*innen und das Personal zu schulen, einschließlich einer 20-minütigen Besprechung der Massage sowie deren Risiken und Nutzen.

Massage-Therapeut*innen

Überwiesene Teilnehmer*innen wurden jeweils einem*einer Massagetherapeut*in zugeordnet, wobei das Studienprotokoll vorsah, dass in den 12 Wochen zwischen Erstuntersuchung und erster Nachuntersuchung 10 Massagebehandlungen erfolgen. Die Patient*innen mussten für die Behandlungen nicht bezahlen, die Behandler*innen bekamen eine Vergütung von 25 $ pro Massagesitzung.

Die Massagetherapeut*innen mussten über mindestens fünf Jahre Berufserfahrung verfügen, Behandlungsräume und -materialien bereitstellen, eine Schulung für Studienpersonal absolvieren und spezifische Behandlungsdokumentationsformulare ausfüllen und einreichen. Sie planten die Behandlungen selbständig, führten sie in ihrer gewohnten Umgebung durch und wandten alle Massagetechniken an, die in ihren Ausbildungsbereich fielen.9Dazu gehörten beispielsweise Schwedische Massage, aktive isolierte Dehnung, myofasziale Techniken, Lymphdrainage, Triggerpunktbehandlungen, neuromuskuläre Therapie, kraniosakrale Therapie, Reflexzonenmassage, Reiki und Akupressur.

Patient*innenbeschreibungen

Patientenbeschreibungen wurden sowohl von Hausärzt*innen als auch von Patient*innen (über Selbstauskünfte) gesammelt und reichten von Alter10Um altersbedingte Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Studienteilnehmer*innen besser berücksichtigen zu können, wurde eine dichotome Altersvariable erstellt, die definitionsgemäß nur zwei Werte annehmen kann und deren Grenzwert bei 50 Jahren lag., Geschlecht, Body-Mass-Index, Bildung bis vom*von der Hausärzt*in gemeldete/wahrgenommene Gesundheit, Schmerzstärke, Funktionsfähigkeit und schmerzbezogene Medikamente (kategorisiert als schmerzspezifisch, muskelentspannend und stimmungsspezifisch), Dauer der chronischen Kreuzschmerzen.

Aus den Medikamentenlisten wurden drei medikamentenbezogene Variablen erstellt: die Gesamtzahl der gemeldeten schmerzbezogenen Medikamente (kontinuierlich), die Verwendung von verschreibungspflichtigen Medikamenten, wie Opioide, Benzodiazepine und Tramadol, und die Gesamtzahl der gemeldeten verschreibungspflichtigen Medikamente (kontinuierlich).

Ergebnisse

67 Hausärzt*innen an 18 Anbieterstandorten, vier davon im ländlichen Bereich, erklärten sich zur Teilnahme an der Studie bereit. An jedem Standort nahmen ein bis 25 Hausärzt*innen teil (Median: 2). 48 von ihnen gaben 177 Empfehlungen für Massagen (und den Studienleiter*innen entsprechende Unterlagen). 151 der zugewiesenen Patient*innen (81 %) zeigten sich an der Studie interessiert, 104 von ihnen (69 %) nahmen an der Studie teil und führten die Basismaßnahmen durch, 60 % blieben bis zum Ende in der Studie.11Es gab keine unerwünschten Ereignisse, lediglich drei Beschwerden über Massage-Therapeut*innen aus Persönlichkeits-/Glaubenskonflikten. In zwei Fällen kam es zur Zuweisung zu einem*einer anderen Massage-Therapeut*in, im dritten Fall genügte es, den*die Massage-Therapeut*in über die Bedenken zu informieren.

Von den 104 Teilnehmer*innen, die die Basiserhebungen absolvierten, schlossen 85 die erste Nachuntersuchung nach 12 Wochen (18 % Abgänge) ab und 76 die zweite Nachuntersuchung 12 Wochen später (27 % Abgänge).12Dabei zeigte sich, dass diejenigen Teilnehmer*innen, die nicht mehr an den ersten Nachuntersuchung teilnahmen, eine durchschnittlich höhere Anzahl an schmerzbezogenen Verschreibungen hatten, ein niedrigeres Durchschnittsalter, eher unter 50 Jahre alt waren und eher Raucher. Und auch die Studienteilnehmer*innen, die die zweite Nachuntersuchung nicht mehr absolvierten, hatten ein niedrigeres Durchschnittsalter und waren mit größerer Wahrscheinlichkeit jünger als 50 Jahre.

Klinisch bedeutsame Verbesserungen

Bei mehr als der Hälfte der Teilnehmer*innen (54,1 %) zeigte sich nach der 12-wöchigen Interventionsphase (erste Nachuntersuchung) eine klinisch relevante Schmerzreduktion. Drei Monate später (zweite Nachuntersuchung) berichteten 42,1 % weiterhin von einer signifikanten Verbesserung.

Von den 46 Teilnehmer*innen, die bei der ersten Nachuntersuchung eine klinisch relevante Verbesserung im Oswestry Disability Index (ODI) aufwiesen, hielt bei 75 % diese Verbesserung auch bei der zweiten Nachuntersuchung an (P<0,01).

Der Medical Outcomes Study 36-Item Short Form, Version 2 (SF36v2) dokumentierte in Bezug auf körperliche Komponenten klinisch bedeutsame Verbesserungen bei 55,4 % der Teilnehmer*innen nach der Interventionsphase (erste Nachuntersuchung). Drei Monate später waren diese Verbesserungen bei 46,1 % der Teilnehmer*innen noch nachweisbar. Hinsichtlich der psychischen Komponenten zeigte der SF36v2 bei 43,4 % der Teilnehmer*innen nach der ersten Nachuntersuchung klinische Verbesserungen, die bei der zweiten Nachuntersuchung noch bei 30,3 % vorlagen. Bei körperlichen Schmerzen erfasste der SF36v2 klinisch signifikante Verbesserungen bei 49,4 % der Teilnehmer*innen bei der ersten Nachuntersuchung, wobei diese bei 40 % auch bei der zweiten Nachuntersuchung Bestand hatten.

Faktoren, die die Ergebnisse der Massage beeinflussen

Im SF-36v2-Bereich „Körperliche Schmerzen“ wurden drei Variablen mit positiven Veränderungen in Verbindung gebracht: eine positive Korrelation mit der Gesundheitswahrnehmung der Patient*innen (P = 0,04) sowie negative Korrelationen mit der Schmerzwahrnehmung (P < 0,01) und der Anzahl der schmerzbezogenen Medikamente (P = 0,05).13Der negative Einfluss der Anzahl der geplanten Medikamente auf die ODI-Änderungswerte blieb bestehen, wenn der ODI-Ausgangswert, das Geschlecht und die Dauer der chronischen Kreuzschmerzen kontrolliert wurden.
Bei Teilnehmer*innen, denen mindestens ein geplantes Medikament verschrieben wurde, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie keine klinisch signifikante Verbesserung der körperlichen Funktionsfähigkeit nach SF-36v2 erreichten, 2,46-mal höher.

Die Regressionsanalyse ergab, dass Teilnehmer*innen ab 50 Jahren eine stärkere Verbesserung im Oswestry Disability Index (ODI) zwischen Basislinie und der 12. Woche zeigten (P = 0,01). Zudem nahmen die ODI-Verbesserungen mit einer geringeren Anzahl geplanter Medikationen zu (P = 0,02). Erwachsene ab 50 hatten eine 3,75-mal höhere Wahrscheinlichkeit als jüngere Erwachsene, eine klinisch signifikante Verbesserung im ODI zu erreichen: 70 % der Teilnehmerinnen ab 50 Jahren zeigten klinisch signifikante Verbesserungen, verglichen mit 38 % in der jüngeren Gruppe (P ≤ 0,01).

Lediglich ein Ausgangswert stand mit dem Erhalt klinisch bedeutsamer Verbesserungen in Zusammenhang: Nicht-adipöse Teilnehmer*innen, die bei der ersten Nachuntersuchung klinisch signifikante Veränderungen im ODI aufwiesen, behielten diese bis zur zweiten Nachuntersuchung bei. Dies galt jedoch nicht für adipöse Teilnehmer*innen.14Bei adipösen Teilnehmer*innen zeigten sich in der ersten Nachuntersuchung größere Verbesserungen, die jedoch nicht beibehalten werden konnten (zweite Nachuntersuchung).

Unterstützende deskriptive Ergebnisse

Von den 85 Teilnehmer*innen, die bei der ersten Nachuntersuchung klinisch bedeutsame Verbesserungen zeigten, bewerteten 46 die Massagebehandlungen als hilfreich, während 39 sie nicht als nützlich empfanden. Bei der zweiten Nachuntersuchung, zu der insgesamt weniger Teilnehmer*innen klinisch relevante Verbesserungen berichteten, stieg die Zahl derjenigen, die die Massage als hilfreich wahrnahmen, dennoch auf 44 von 76 Personen an.1576 Personen zeigten bei der zweiten Nachuntersuchung klinische Verbesserungen. 44 von ihnen bewerteten die Massage als hilfreich, 32 nicht.

Eine dichotome Analyse16Zusammenfassung von z.B. starker und sehr starker Zustimmung zu einer Variablen. von Behandlungszufriedenheit und wahrgenommenen Effekten zeigt, dass die Mehrheit der Teilnehmer*innen die Massagebehandlung positiv bewertete und (nach eigenen Angaben) von ihr profitierte.1761%: Overall, massage helped my back, 59%: My low back pain improved because of massage,74%: I would want massage again if my back pain returns or gets worse, 80%: Overall, I am satisfied with the therapy I received und 54%: This therapy relieved my pain.
Bei klinisch bedeutungsvollen Verbesserungen bei der ersten Nachuntersuchung stimmte allerdings ein höherer Anteil der Teilnehmer*innen zu diesem Zeitpunkt diesen Aussagen zu.

Diskussion der Ergebnisse

Es gibt zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten für chronische lumbale Rückenschmerzen, wobei die Behandlung oft nicht den klinischen Leitlinien entspricht.18Die Autor*innen verweisen auf Mafi JN , McCarthy EP, Davis RB, Landon BE (2013): Worsening trends in the management and treatment of back pain. JAMA Intern Med2013;17317:1573–81. Während konkurrierende Anforderungen, Patientenpräferenzen und Kosten die Behandlungsentscheidungen beeinflussen, spielt die Wahrnehmung des*der Ärzt*in, ob eine Behandlung für die Patient*innen in seiner*ihrer Praxis geeignet ist, wahrscheinlich eine entscheidende Rolle bei der Auswahl der Behandlungen.19Die Autor*innen verweisen auf Hsu C , Cherkin DC, Hoffmeyer S, Sherman KJ, Phillips WR (2011): Patient and clinician openness to including a broader range of healing options in primary care. Ann Fam Med2011;95:447–53; und Patient-Centered Outcomes Research Institute (2013): Treatment options for back pain. http://www.pcori.org/treatment-options-back-pain.

Die Studienautor*innen wollten Bedenken ausräumen und haben deshalb einen pragmatischen Ansatz gewählt, in dem Hausärzt*innen entschieden, welchen Patient*innen sie eine Massage empfehlen, und Patient*innen wurden auch nicht aufgrund von Begleiterkrankungen ausgeschlossen. Die dadurch breiten Einschlusskriterien ermöglichten eine größere Bandbreite an Patientenmerkmalen, einschließlich Alter und Adipositas, die sich als signifikante Faktoren erwiesen.

Die Fähigkeit der an der Studie beteiligten Massagetherapeut*innen, individuelle spezifische Behandlungspläne zu entwickeln und anzuwenden, die auf ihren Aus- und Weiterbildungserfahrungen basieren, stärkt das Vertrauen, dass spezifische Massageinterventionen nicht vom*von der Hausärzt*in ausgewählt werden müssen, sondern der klinischen Entscheidungsfindung der Massagetherapeut*innen überlassen werden können. Dies sind deutliche Unterschiede zu den Methoden kontrollierter Studien und spiegeln wider, wie eine Massagetherapie in den Vereinigten Staaten typischerweise angewendet und in Anspruch genommen wird.

Patient*innenbezogene Faktoren

Die fehlende Altersbeschränkung ermöglichte eine breite Altersspanne, die von 23 bis 82 Jahre reichte und zur Erkenntnis beitrug, dass Kreuzschmerz-Patient*innen ab 50 Jahren mit größerer Wahrscheinlichkeit einen klinisch bedeutsamen Nutzen aus Massagebehandlungen ziehen können.

Auch konnten in der Studie Patient*innen einbezogen werden, die verschreibungspflichtige Medikamente zur Schmerzlinderung einnahmen. Während die Anzahl der verschreibungspflichtigen Medikamente negativ mit klinisch relevanten Verbesserungen korrelierte, stand die Tatsache, dass die Teilnehmer*innen überhaupt verschreibungspflichtige Medikamente einnahmen, nicht im Widerspruch zur Wahrscheinlichkeit eines klinisch bedeutsamen Nutzens in Bezug auf Schmerzen und Einschränkungen. Möglicherweise ist es die Menge solcher Medikamente, die den Nutzen der Massage beeinflusst, und nicht die grundsätzliche Tatsache, dass der Patient verschreibungspflichtige Medikamente einnimmt.20Die Autor*innen geben aber zu bedenken, dass ihre Studienstichprobe nicht hinreichend repräsentativ für Personen ist, die regelmäßig Medikamente gegen chronische Kreuzschmerzen einnehmen. Es ist, den Autor*innen zufolge, aber wichtig zu verstehen, inwieweit Massagen für Patient*innen mit verschreibungspflichtigen Medikamenten von Nutzen sind, insbesondere im Hinblick auf die Bemühungen, den Einsatz von Opioiden und anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten bei Schmerzpatient*innen zu reduzieren.

Ergänzende Ergebnisse

Im Unterschied zu klinischen Studien wurde zwar jedem*jeder Teilnehmer*in ein*e Massage-Therapeut*in zugewiesen, doch die gesamte Kommunikation und der Kontakt zwischen Therapeut*innen und Teilnehmer*innen wurde von den Studientherapeut*innen und den Teilnehmer*innen sowohl initiiert als auch aufrechterhalten. Letztlich haben 90% der Patient*innen zumindest eine Massagebehandlung in Anspruch genommen, 60% alle zehn Behandlungen.

Es zeigte sich, dass eher Personen unter 50 Jahren aus der Studie ausstiegen. Die Autor*innen vermuten, dass jüngere Menschen möglicherweise mehr Verpflichtungen haben, was die Wahrung der Termine erschwert. Eine mögliche Konsequenz daraus wäre, für jüngere Patient*innen eine bessere Zugänglichkeit für erforderliche Behandlungen zu schaffen.

Bei ähnlichen klinischen Studien bei Patient*innen mit unteren Rückenschmerzen sieht das Protokoll im Allgemeinen 10 Behandlungen in einem Zeitraum über 10 bis 12 Wochen vor, wobei der Abschluss von acht Sitzungen als Einhaltung des Protokolls angesehen wird, was bei durchschnittlich 88 bis 93 Prozent der Teilnehmer*innen der Fall ist. Im Vergleich dazu ergab die vorliegende Studie, dass etwa 78 Prozent der 85 Studienteilnehmer*innen, die die Datenerhebung nach 12 Wochen abgeschlossen hatten, mindestens acht Sitzungen in Anspruch nahmen und somit als "therapietreu" angesehen werden können.21Bei diesen Zahlen, die etwas niedriger liegen als die vergleichbarer klinischer Studien, ist aber zu bedenken, dass das Forschungspersonal in keiner Weise für die Planung und Nachverfolgung der Behandlungen verantwortlich war. Die Verantwortung für die Terminplanung und den Zugang lag ausschließlich bei den Studienteilnehmer*innen und den Massagetherapeut*innen, was, wie die Autor*innen ausführen, wiederum den realen Zugang zu Massagen bzw. deren Nutzung für die meisten Menschen in den Vereinigten Staaten widerspiegelt.

Einschränkungen der Studie

Um zu klären, inwieweit die von den Teilnehmer*innen erlebten Verbesserungen speziell auf die Massage zurückzuführen sind, ist eine Kontrollgruppe ohne Behandlung oder eine Placebo-Vergleichsgruppe erforderlich. Um klinisch relevant zu sein, sind die berichteten Veränderungen jedoch ausreichend. Die Ergebnisse sind jedoch ein Signal für die tatsächliche Wirkung von Massagen bei chronischen Kreuzschmerzen. Eine breiter angelegte Studie würde zudem die weitergehende Untersuchung über die Rolle von Alter, Medikamenten und Fettleibigkeit für den klinisch bedeutsamen Nutzen ermöglichen.

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Anmerkungen/Fußnoten